Tag der offenen Tür

14.55 Uhr: Da ist die Schule, ich komme also nicht zu spät. Mein Gott, da sind schon so viele Leute â ob die freiwillig da sind, oder wurden sie zwangsverpflichtet? Haupteingang, die Tür ist zu? Ach so, die neben dran ist offen... Ob ich eine Zeitung haben und für krebskranke Kinder spenden will? Lasst mich doch mal bitte ankommen, später, ja? Ist ja nett gemeint, und sie sieht ja auch gut aus, die Zeitung. Ich kriege ein Programm in die Hände gedrückt, da kann ich mich schon mal festhalten. Aber was bedeuten die Zimmernummern? Gehen wir mal hoch, einfach den Leuten nach. Offensichtlich wissen alle anderen, wo sie hin wollen, im Gegensatz zu mir. Da steht âGetränke und Kuchen im Nebengebäudeâ, das wäre vielleicht ein Ort, um erst mal anzukommen â aber wo ist das? Es gab ja mal ein Gebäude neben dran, aber das wurde abgerissen. Ich frage mal nach. âAâ ist links, âBâ ist vorne, âCâ ist rechts und die Zahl gibt das Stockwerk, wird mir erklärt, macht Sinn. Und dass das âNebengebäudeâ der Neubau mit der Cafeteria ist, leuchtet auch ein, dort gibt es Speis und Trank. - Berge von Kuchen, da haben sich wieder mal Mütter ins Zeug geworfen â wenn man damit die Schulen finanzieren könnte, dann wären wir aus dem Schneider... aber lecker ist er, der Kuchen.

15.15 Uhr: Oben drüber spricht die Schulleiterin, das wäre auch mal spannend, aber das ist proppenvoll, keine Chance. An der Tür steht einer im T-Shirt (bei den Temperaturen!), mit dem Logo der Schule, der ist wirklich begeistert... - Gehen wir mal zurück, ins Hauptgebäude, vielleicht einfach treiben lassen und sehen, wo ich hinkomme â da ist Musik, das klingt gut, aber da hatten andere dieselbe Idee, da komme ich wieder nicht rein. - Andere Zimmer wirken etwas verwaist, naja, nicht jedes Projekt lässt sich mit einer tollen Show präsentieren. Da ist eine Lehrerin die ich kenne, mal sehen....

15.30 Uhr: Eine Vorführung mit Improvisationstheater. Etwas heftig für mein Geschmack, und ich verstehe nicht viel, aber die Beteiligten haben offensichtlich viel Spaß, und die Zuschauer auch. Es geht wohl eher ums Feeling, und das scheint gut zu sein... Das Ganze ist wie eine Fernsehshow aufgemacht, die Jury ist ein Clown, der nimmt weder den Job noch sich selbst ernst, beruhigend. Notengeben mit einem Augenzwinkern, das gefällt mir. Haben die noch andere Themen als Mord und Beziehungsdrama? Wie zur Hauptsendezeit, abends, auf allen Kanälen. Abbild der Wirklichkeit? â ich hoffe, es gibt noch anderes.

15.50 Uhr: Physik hat mich schon immer interessiert, was man von den Kindern, die hier sitzen, eher nicht sagen kann. Einer gibt sich Mühe und erklärt seinen Versuch, bis ein neunmalkluger Vater kommt und anfängt, ihm Fragen zu stellen â ob der auch Lehrer ist, oder selber unter einem Schultrauma leidet? Am Nebentisch geben mir zwei Mädels zu verstehen, dass sie lieber nicht gefragt werden wollen, was da vor ihnen auf dem Tisch steht. Okay, ich halt den Mund, ich will ja niemand ärgern. Kann ja verstehen, dass es dröge ist, die Zeit hier abzusitzen und immer wieder dasselbe zu erklären. An sich traurig, für mich gäbe es viele Fragen...

16.00 Uhr: Aschenputtel und Schneewittchen, in Französisch. Schon wieder Theater, das habe ich früher in der Schule gehasst â und jetzt gehe ich freiwillig rein? Was man sich als Eltern alles antut! Aber die Stimmung im Publikum ist ansteckend. Alles ist minimalistisch, auf das Notwendige reduziert, fast keine Handlung, nur ein schwarzer Vorhang, über dem die Akteure wie Kasperlefiguren auf- und wieder abtauchen. Nach ein paar Sätzen lachen alle, obwohl es eine Fremdsprache ist, kommen alle Gags rüber. Viel zu kurz das Ganze, da hätte ich gerne mehr davon gehabt, schon nach 10 Minuten ist der Zauber vorbei. Eigenartig, da haben ein paar Schüler das geschafft, was für mich selbst großes Theater und Oper nicht hingekriegt haben â chapeau!

16.20 Uhr: Literatur in 5 Minuten. Verstehe den Titel nicht ganz, aber das ist wohl Absicht. Eine Powerpoint nach der anderen rollt auf mich zu, auch hier ist die Nähe zum Fernsehprogramm nicht zu leugnen, auch hier geht es um Beziehungen und Mord. Hilfe, schon wieder dieses nervige 'Biss zum Morgengrauen', aber das scheint den Kindern zu gefallen! Und jetzt noch ein Amoklauf â wenn das besorgte Eltern sehen, könnte der Teufel los sein... Nachher kommt eine Art Abspann, Bilder aus dem Entstehungsprozess, da kommt das Projekt bei mir an, ich kriege einen Einblick, wie die Schüler gearbeitet haben. Jetzt verstehe ich, das Resultat findet sich anderswo, im Prozess. Schüler verarbeiten ihre Problem in den Geschichten, okay, dann kann ich auch mit Vampiren leben.

16.30 Uhr: Endlich habe ich die Band gefunden, die spielen soll. Alle sind ein bisschen aufgeregt, ein paar aus dem Publikum versuchen, die Stars zu necken. Cool bleiben, ist ja leicht, denn die Aufführung ist ein Playback. Aber gut klingt es schon. Frage mich bloß, ob der Drang zur Perfektion die Spontaneität gekillt hat, die Aufführung ist etwas leblos, sie wirken wie Hampelmänner (bzw. -frauen). Ich vermisse den Showmaster, hier hätte einer mit Mikrofon etwas Leben in die Vorführung bringen können. So war es eine Art Werkstattbesuch â nüchtern, fast zu professionell.

17.00 Uhr: Langsam fängt die Sache an Spaß zu machen. Ich lasse mich zu einem Hotdog überreden, obwohl ich Vegetarier bin. Das Geld soll für den Abiball sein â aber bitte, Girls, investiert nicht alles in Klamotten und Schminke, ja? Geht mich eigentlich nichts an...

17.30 Uhr: Die ersten fangen an, zu gehen. Jetzt, wo mir es anfängt zu gefallen. Aber man soll ja immer dann gehen, wenn es am schönsten ist. Komme gerne wieder, hoffentlich nicht erst in einem Jahr.

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